Stevie's full of good intentions

Wednesday, May 07, 2008

Keine Prüfungen mehr!

Dem Vernehmen nach wurden dieser Tage die Abiturklausuren geschrieben. Weil ich sonst nichts besseres zu tun hatte, habe ich mir ein paar Aufgaben angesehen. Natürlich nur in "meinen" Fächern.

Eine Aufgabe, die ich durchaus gerne gelöst hätte, ist die folgende:

"Es ist mit Meinungen, die man wagt, wie mit Steinen, die man voran im Brette bewegt: sie können geschlagen werden, aber sie haben ein Spiel eingeleitet, das gewonnen wird."
(Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen)

Erörtern Sie, ausgehend von einer Erläuterung dieser These, Chancen und Risiken von Meinungsäußerungen im öffentlichen Diskurs!


Na, das schreibt sich doch fast von selbst. Und die Frage, wie es denn zum 1. Weltkrieg gekommen ist, na, da ließe sich auch noch was zu schreiben.

Reichlich unangenehm finde ich allerdings die Aufgabe, das folgende Gedicht zu interpretieren:


"Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Was er wünscht, das ist ihm nie geworden,
Und die Stunden, die das Leben spinnen,
Sind nur Mörder, die gemach ihn morden:
Was er will, das wird er nie gewinnen,
Was er wünscht, das ist ihm nie geworden.

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!"

Meine Güte! August von Platen. That's heavy stuff. Zumal mir zu diesem Mann nur die Schmähschrift von Heine einfällt und das, was Robert Gernhardt über dieses Gedicht gesagt hat:

"Es liegt an eines Menschen Schmerz, an eines Menschen Wunde nichts,
Es kehrt an das, was Kranke quält, sich ewig der Gesunde nichts!
Und wäre nicht das Leben kurz, das stets der Mensch vom Menschen erbt,
So gäb's Beklagenswerteres auf diesem weiten Runde nichts!
Einförmig stellt Natur sich her, doch tausendförmig ist ihr Tod,
Es fragt die Welt nach meinem Ziel, nach deiner letzten Stunde nichts;
Und wer sich willig nicht ergiebt dem ehrnen Lose, das ihm dräut,
Der zürnt ins Grab sich rettungslos und fühlt in dessen Schlunde nichts;
Dies wissen Alle, doch vergißt es Jeder gerne jeden Tag,
So komme denn, in diesem Sinn, hinfort aus meinem Munde nichts!
Vergeßt, daß euch die Welt betrügt, und daß ihr Wunsch nur Wünsche zeugt,
Laßt eurer Liebe nichts entgehn, entschlüpfen eurer Kunde nichts!
Es hoffe Jeder, daß die Zeit ihm gebe, was sie Keinem gab,
Denn Jeder sucht ein All zu sein und Jeder ist im Grunde nichts."

Reime auf Wunde nichts! Du kriegst die Motten! Jetzt stelle man sich vor, im Schulamt oder im Kultusministerium hätte man gesagt: Mal sehen, was den jungen Leuten dazu einfällt!

Nee, nee, Prüfungen sind echt kein Spaß. Gut, dass ich mit dem Thema durch bin. All denen, die es noch nicht sind, wünsche ich schöne Aufgaben und viel Glück!

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3 Comments:

  • At 8:40 AM , Blogger francessa said...

    August von Platen ist wohl eine ziemliche Herausforderung für jeden Abiturienten. Mir fällt ein, dass ich einst ein Gedicht dieses Herrn auswendig lernen musste: Grab im Busento.

    Bleibt nur noch zu erwähnen, dass Herr von Platen die Rechtswissenschaften studierte, dies aber zugunsten der Poesie abbrach. Verlust oder Gewinn?

     
  • At 10:48 PM , Blogger Stevie's full of good intentions said...

    Noch so ein unglaubliches Gedicht! Ich glaub, das ganze Werk ist so.

    Tja, den Wechsel von der Rechtswissenschaft zur Poesie wird man frecherweise nicht als einen Gewinn für die Poesie bezeichnen können und eo ipso auch nicht als einen Verlust für die Rechtswissenschaft. Aber egal, wahrscheinlich hätte er tagsüber als Richter oder Anwalt gearbeitet und nach Feyerabend gedüchtet.

     
  • At 12:47 PM , Blogger francessa said...

    Ein Rüchter, der am Sonntag düchtet und dann am Montag wieder rüchtet.

     

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